Die Hitlerjugend am Ende des Krieges

VON JOHANNES NIEHAUS, SANDRA SCHULTE, JENS HOFFMANN

Da der Krieg immer näher rückte, veränderten sich auch die Aufgaben und die Organisation der Hitlerjugend. Jugendliche ab 16 Jahren wurden für den Kriegsdienst eingezogen. Das hatte zur Folge, dass die eigentliche Hitlerjugend zusammenbrach und nun nur noch das Jungvolk bestehen blieb. Weiter musste die Organisation des Jungvolkes verändert werden, weil die meisten Gruppenleiter abgezogen wurden. Die frei gewordenen Posten wurden meist von Jüngeren aus dem Jungvolk selbst besetzt. Wie schon erwähnt, kam auch Herr Kipp so an seinen Posten.
Die Aufgaben wurden immer mehr auf den Krieg abgestimmt, so dass sie teilweise sogar Aufgaben von Soldaten übernahmen. So mussten sie mit dem Heranrücken der Front zum Beispiel Verteidigungsanlagen errichten. Das geschah auch in Bardel. Dort kamen im Herbst 1944 über 300 Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren zusammen. Sie sollten dort Zwangsarbeiter bei der Errichtung von Panzer- und Schützengräben unterstützen. Dabei wurden sie im Kloster Bardel, das kurzfristig von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurde, untergebracht und verpflegt. Sie blieben dort die ganze Woche und kamen nur am Wochenende nach Hause. Die eigentlich ansässigen Mönche wurden vertrieben. Neben der Arbeit an den Gräben wurden die Jugendlichen auch weiter militärisch ausgebildet [Vgl. Zeitungsartikel: „Schanzen für das Vaterland“ Grafschafter Nachrichten Oktober 2004].
Ein weiterer Versuch diese Ausbildung auszubauen wurde Anfang 1945 gestartet. Der Bannführer Krabbe ließ verkünden, dass sich alle Jugendlichen für eine Verschickung nach Schleswig-Holstein zu melden hätten. Dort sollte offiziell, fern ab der Front, für ihre Sicherheit gesorgt sein. Doch nur noch wenige kamen dieser Anweisung nach. Die meisten Eltern sahen das nahende Ende und behielten ihre Kinder zu Hause. Dennoch gab es in Bad Bentheim eine Gruppe von 50 Jugendlichen, die dem Aufruf Folge leisteten [Vgl. Titz, Hubert (Hg): Bad Bentheim – Aspekte einer Stadtgeschichte. 1. Aufl. – Bad Bentheim: Hellendoorn, 1996.]. Aus Neuenhaus hingegen kam laut Herrn Kip kein einziger dem Marschbefehl nach [Zeitzeugengespräch mit Herrn Kip, Recklinghausen 12.04.2008].
1945 gingen die Nationalsozialisten sogar soweit, dass sie die Jugendlichen in Panzerjagdkompanien einteilten. Auch Herr Kipp war in einer solchen Kompanie. Sie wurden mit Panzerfäusten ausgestattet und sollten für den Ernstfall einsatzbereit sein. Dieser Ernstfall trat kurz vor dem Ende des Krieges ein. Ein Spähpanzer der Kanadier wurde auf der Straße zwischen Neuenhaus und Nordhorn gesichtet. Nun bekam die Kompanie um Kip den Befehl, dem Panzer entgegenzufahren. Als Herr Kip dann dort auf dem Fahrrad seiner Mutter und mit der Panzerfaust auf dem Gepäckträger ankam, waren nur noch Reifenspuren zu finden und so fuhr er wieder nach Hause. Am nächsten Tag waren die Kanadier bereits vorbeigezogen und Neuenhaus besetzt.
Im Folgenden wurden die Fähnleinführer von den Kanadiern aufgesucht und verhaftet. Alle Waffen wurden eingesammelt, doch die meisten waren schon vorher von den Nationalsozialisten vergraben worden. Laut Herrn Kip hatten die Kanadier Angst, dass die von der Ideologie der Nationalsozialisten geprägten Hitlerjungen Schaden anrichten könnten. Dies war eher ungewöhnlich, ist aber darauf zurückzuführen, dass es kurze Zeit vorher in Sögel zu einem Anschlag durch Hitlerjungen gekommen war.
Daraufhin kam auch Herr Kip in Gefangenschaft und wurde, wie die meisten Verhafteten aus der Grafschaft, in ein belgisches Kriegsgefangenenlager gebracht, wo er die verbliebene Zeit des Krieges verbrachte.
Die Hitlerjugend war in der Grafschaft nach dem Einzug der Alliierten nicht mehr aktiv.D